Wenn es um eine vegane Ernährung im Kindesalter geht, wird meist die Frage nach der Sicherheit dieser Ernährungsform gestellt. Ob also eine vegane Ernährung überhaupt dazu geeignet ist, alle notwendigen essentiellen Nährstoffe in ausreichenden Mengen für ein normales Wachstum und eine gesunde Entwicklung zu liefern. In diesem Beitrag gehen wir aber noch einen Schritt weiter und stellen uns die Frage: Kann eine vegane Ernährung nicht nur sicher sein, sondern eventuell sogar gesundheitliche Vorteile für Kinder bieten?
Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir zunächst feststellen, dass bisher keine Langzeitstudien mit veganen Kindern, die die gesundheitlichen Langzeitauswirkungen dieser Ernährungsform untersuchen, existieren.
Auf was wir aber zurückgreifen können, sind eine Reihe an Studien, die für Erwachsene ein reduziertes Risiko für bestimmte ernährungsmitbedingte Erkrankungen, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ II Diabetes und manche Krebserkrankungen bei einer (ausschließlich oder überwiegend) pflanzenbasierten Ernährung zeigen. https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/2738784 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8624676/pdf/nutrients-13-03952.pdfhttps://bmcmedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12916-022-02257-9
Aus diesen Beobachtungen kann man ableiten, dass eventuell auch Kinder, die vegan/pflanzenbasiert ernährt werden, ein geringeres Risiko haben, im weiteren Leben ernährungsmitbedingte Erkrankungen zu entwickeln. Das liegt unter anderem daran, dass unsere Ernährungsgewohnheiten maßgeblich im frühen Kindesalter etabliert werden und Kinder, die von Anfang an überwiegend vollwertige, pflanzliche Lebensmittel verzehren, auf ein sog. „präventives Ernährungsmuster“ geprägt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kinder im späteren Erwachsenenleben weiterhin ein „präventives Ernährungsmuster“ aufweisen, ist hoch.
Und tatsächlich sehen wir auch in Studien mit veganen Kindern, dass diese mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Süsse und Samen und weniger Snacks, Süßigkeiten und Fertiggerichte verzehren als mischköstliche Kinder. Vegane Kinder nehmen also im Schnitt mehr derjenigen Lebensmittel zu sich, die eine wichtige Rolle bei der Prävention ernährungsmitbedingter Krankheiten spielen.
In Studien konnte zudem gezeigt werden, dass vegane Kinder niedrigere Gesamt- und LDL-Cholesterinkonzentrationen im Blut aufweisen als vegetarische und mischköstliche Kinder. Die an der VeChi Youth Study beteiligten Wissenschaftler folgerten zum Beispiel: „The VeChi Youth Study provides the first evidence of reduced cardiovascular risk factors already in childhood and adolescence, only with a vegan diet.“ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8157583/pdf/nutrients-13-01707.pdf Es gibt also Hinweise dafür, dass eine vegane Ernährung im Kindesalter ein präventives Potential hinsichtlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat.
Aber: Von diesem möglichen präventiven Potential können natürlich Kinder nur dann profitieren, wenn die Sicherheit dieser Ernährungsform gewährleistet ist, d.h., dass alle essentiellen Nährstoffe in ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt werden. In manchen Studien, wie z.B. der VeChi Diet und der VeChi Youth Study war das im Schnitt der Fall. Die Teilnehmer dieser Studien konnten ihren Nährstoffbedarf überwiegend decken und zeigten ein normales Wachstum und Gedeihen sowie eine unauffällige Entwicklung. Als besonders kritische Nährstoffe wurden Calcium und Jod identifiziert.
Es gibt aber auch andere Studien mit veganen Kindern, wie z.B. eine Studie aus Polen, in denen zwar auch positive Resultate der veganen Ernährung hinsichtlich der Blutfettwerte gezeigt werden konnten. Allerdings wiesen die veganen Kinder in dieser Studie eine signifikant reduzierte Knochenmasse sowie eine deutlich zu geringe Zufuhr an Calcium und Vitamin D auf. Ebenso konsumierte ein relevanter Teil der veganen Kinder weder Vitamin B12-angereicherte Lebensmittel noch ein Vitamin B12-Supplement. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8176147/pdf/nqaa445.pdf
In solchen Fällen relativiert sich das präventive Potential einer veganen Ernährung durch die unzureichende Zufuhr wichtiger Nährstoffe, was mittel- und langfristig mit gesundheitlich abträglichen Folgen verbunden ist. Im Falle der polnischen Studie wiesen vegane Kinder eine reduzierte Knochendichte auf, was auf ein erhöhtes Osteoporose-Risiko im späteren Leben hinweist.
Damit kehren wir zur Eingangsfrage zurück: Hat eine vegane Ernährung gesundheitliche Vorteile für Kinder? Möglicherweise ja, insbesondere hinsichtlich ernährungsmitbedingter sog. Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Voraussetzung für mögliche gesundheitliche Vorteile einer veganen Ernährung ist aber eine gute Planung, die den hohen Nährstoffbedarf im Wachstum deckt.