Wie auch bei so vielen anderen ernährungsbezogenen Themen ist die Diskussion um die “beste” Form der Beikost-Einführung mittlerweile sehr zugespitzt und Nuancen-arm.
Verfechter der Brei-Kost gegen Verfechter von Baby Led Weaning (BLW) und beide Seiten beanspruchen für sich, die “beste” Version zu propagieren.
Die Brei-Front argumentiert mit “Das haben wir schon immer so gemacht, es hat gut funktioniert und deshalb sollten wir dabei bleiben.”
Die BLW-Front hält die Brei-Kost für den Erzfeind der Entwicklung eines gesunden kindlichen Essverhaltens und der Selbstregulation des Babys.
Spoiler: Nein, Breikost ist nicht automatisch ein HIndernis für die Entwicklung eines gesunden Essverhaltens und der Selbstregulation. Aber auch nein, Breikost funktioniert nicht für alle Familien immer gut.
Also: Was ist die “beste” Beikost-Form? Kann man das überhaupt pauschal sagen?
Nein, kann man nicht. Es gibt keine “one fits all” Lösung. Es kommt drauf an.
Und auf was kommt es an?
Es kommt zu allererst auf das individuelle Baby und seine Bedürfnisse an. Und zudem auf die Familie des Babys und deren Bedürfnisse.
Aber erst mal: Wie sieht´s überhaupt mit der wissenschaftlichen Datenlage zu den beiden Beikost-Formen aus?
Es gibt bisher nur wenige gut designte Studien, die Brei-Kost mit BLW vergleichen und die wenigen, die es gibt, zeigen keine klaren Vorteile oder Nachteile, weder für Brei noch für BLW.
Für breiförmige Baby-Kost haben wir mehr Erfahrungswerte, weil diese lange Zeit den Standard in der Säuglingsernährung dargestellt hat bzw. offiziell weiterhin darstellt.
In Deutschland werden die Säuglings-Ernährungs-Empfehlungen basierend auf dem sog. “Breifahrplan” (“Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr”) gegeben. Dieser ist so aufgebaut, dass ein Baby mit den vorgeschlagenen Breien zusammen mit Muttermilch/Formula den Bedarf an allen essenziellen Nährstoffen (außer Vitamin D, Eisen und Jod) decken kann.
Für manche Familien kann er Sicherheit für die Beikost-Zubereitung geben, andere Familien fühlen sich durch die strikten Mengen- und Zubereitungs-Angaben unter Druck gesetzt.
Zudem ist die Bandbreite an eingesetzten Lebensmittelgruppen im “Breifahrplan” eingeschränkt (keine/kaum Hülsenfrüchte, keine Nüsse/Samen, keine Kräuter, keine Eier), was hinsichtlich der Geschmacksprägung und Allergieprävention nicht optimal ist.
Dies ist aber ein spezifisches Problem des deutschen “Breifahrplans” und nicht generell von breiförmiger Beikost, der man ja problemlos alle erwähnten Lebensmittel beifügen kann. Auch die wenig differenzierten Zubereitungs-Beschreibungen im “Breifahrplan”, die manche Eltern gefühlt unter Druck setzen. sind kein Problem der Brei-Kost an sich, sondern eher der Kommunkiationsweise.
Für BLW gibt es bisher keine offiziellen Empfehlungen / Fahrpläne. Hier kommt es also ganz besonders darauf an, wie “gut” Eltern diese Beikost-Form im Alltag umsetzen, sodass die Nährstoffbedürfnisse des Babys gedeckt werden. Auch müssen Eltern, die BLW machen, weitere Besonderheiten kennen, wie zum Beispiel die Notwendigkeit der Meidung von Lebensmitteln mit erhöhtem Aspirationsrisiko.
Die “Bliss”-Studie untersuchte eine optimierte BLW-Form, bei der die Eltern explizit instruiert wurden, den Fokus auf eisenreiches Fingerfood und genügend Fett zu legen und keine Lebensmittel mit erhöhtem Aspirationsrisiko anzubieten.
In dieser Studie hatten BLW-Babys kein erhöhtes Risiko für Untergewicht und Nährstoffdefizite. In anderen Studien allerdings teilweise schon.
Dagegen wurde in manchen Studien ein weniger “picky” Essverhalten im Kleinkindesalter bei ehemaligen BLW-Babys im Vergleich zu Brei-Babys beobachtet.
Dass BLW das Risiko für späteres Übergewicht reduziert, konnte bisher nicht belegt werden.
BLW kann für manche Familien einen entspannteren und evtl. auch zeitsparenderen Umgang mit der Beikost bedeuten und bei manchen Babys die Freude und Neugier am Essen erhöhen, wenn es direkt am Familienessen teilnimmt.
Und jetzt? Ein paar Tipps:
Eine strenge Kategorisierung in Brei/Fingerfood ist weder notwendig noch sinnvoll.
Auch bei BLW können breiförmige Mahlzeiten (Porridge, dicke Suppen etc.) wunderbar mit eingebaut werden. BLW muss nicht ausschließlich aus “Fingerfood” bestehen!
Selbstregulation und ein selbstbestimmtes Essverhalten ist auch bei einer feinfühligen Brei-Fütterung durchaus möglich (oder das Baby füttert sich selber den Brei).
Zudem sind vor allem die Bedürfnisse, Eigenarten und auch das Gedeihen (Perzentilenkurven!) des Babys zu beachten: Manche Babys fangen erst spät im 2. Lebenshalbjahr an, sich selber mit Fingerfood zu füttern, können sich aber schon früher für Brei-Fütterung begeistern.
Brei-Kost kann geschmackstechnisch viel abwechslungsreicher gestaltet werden als im “Brei-Fahrplan” und natürlich kann auch die Familienkost zeitsparend zu Breimahlzeiten verwandelt werden.
Ob BLW oder Brei:
Bei keiner dieser Beikost-Formen sollte es darum gehen, möglichst schnell komplette Muttermilch-Mahlzeiten zu ersetzen.
Beikost ist eben “Beikost” und nicht “Anstattkost”.
Ebenso gilt, egal ob Fingerfood oder Brei, immer:
Die Eltern bieten das Essen an, das Baby entscheidet, ob und wieviel es isst. Die Hunger- und vor allem Sättigungssignale sollten immer geachtet werden (feinfühlige Fütterung bei Brei-Fütterung!)
Das Essen sollten dem Baby möglichst im Rahmen von gemeinsamen Familienmahlzeiten angeboten werden ohne Druck, dafür aber mit der Möglichkeit, das Essen mit allen Sinnen und spielerischer Neugier zu erfahren.