In einer vollwertigen, pflanzlich basierten Ernährung spielen diese fünf Lebensmittelgruppen die Hauptrolle:
- Gemüse
- Obst
- Vollkorngetreide/Pseudogetreide
- Hülsenfrüchte
- Nüsse & Samen
Vollkorngetreide, Pseudogetreide (z.B. Buchweizen, Amaranth, Quinoa), Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen sind wichtige Quellen für Protein, B-Vitamine sowie Mineralien und Spurenelemente wie Eisen, Zink, und Calcium. Einige dieser Nährstoffe gelten in der pflanzlich-basierten Ernährung als sog. „kritische“ Nährstoffe, da es , etwa bei einer suboptimalen Planung der Ernährung, zu einer mangelhaften Versorgung kommen kann, insbesondere in Zeiten, in denen der Bedarf erhöht ist (z.B. Kindesalter und Schwangerschaft). Dabei ist die absolute Menge an Nährstoffen wie Eisen, die über die Nahrung aufgenommen wird, oft nicht das Problem. Im Gegenteil: Veganer nehmen beispielsweise oft mehr Eisen zu sich als Mischköstler.
Warum kann es dann trotzdem zu einer mangelhaften Versorgung kommen?
„Du bist nicht, was du isst, sondern was du verdaust“: Keimen führt zu einer besseren Versorgung mit essentiellen Nährstoffen
Der Ursache ist die schlechtere Bioverfügbarkeit von Spurenelementen wie Eisen und Zink aus pflanzlichen Quellen. Beispiel Eisen: Das in Pflanzen vorkommende dreiwertige Non-Häm-Eisen wird nur zu ungefähr 5 (-10) Prozent resorbiert, während das Häm-Eisen aus tierischen Nahrungsmitteln zu ca. 20% resorbiert wird. Verschiedene Faktoren haben einen Einfluss auf die Eisenresorption, z.B. ist diese bei einem Eisenmangel erhöht. Auch die Anwesenheit von organischen Säuren wie z.B. die Ascorbinsäure (Vitamin C) erhöhen die Resorptionsrate von Eisen. Dagegen hemmen bestimmte Polyphenole, die z.B. in Kaffee, schwarzem und grünem Tee vorkommen, die Eisenresorption.
Vor allem aber Phytat (Phytinsäure), eine Substanz, die in Getreide, Hülsenfrüchten und Saaten als Speicher für Eisen, Zink, Calcium und Magnesium dient und diese Mineralien an sich bindet, ist dafür verantwortlich, dass die Mineralstoff-Absorption aus pflanzlichen Lebensmitteln beschränkt ist. Für den Samen sind diese Mineralien lebensnotwendig; er benötigt sie zum Wachstum und „bunkert“ sie in Form von unlöslichen Komplexen mit Phytat.
Was passiert nun aber, wenn wir dem Samen optimale Wachstumsbedingungen in Form von optimaler Feuchtigkeit, Temperatur und Belüftung bieten? Der Samen wird beginnen, auszuprossen und zu einem Keimling heranzuwachsen. Für diesen Wachstumsprozess ist der Samen auf die in ihm gespeicherten Mineralien angewiesen.
Wie bekommt der Samen Zugang zu den in ihm gespeicherten Mineralien?
Es wird ein im Samen vorkommendes Enzym, die Phytase, aktiviert. Dadurch wird Phytat abgebaut und die gebundenen Mineralien quasi „in die Freiheit entlassen“. Durch den Keimvorgang können wir sozusagen den Samen überlisten, seine gespeicherten, an Phytat gebundenen Mineralien freizugeben und somit auch für unsere Ernährung zur Resorption verfügbar zu machen.
Der Keimvorgang führt nicht nur zu einer verbesserten Bioverfügbarkeit von Mineralien, sondern auch zu einer erhöhten Verdaulichkeit:
Unkeimte Samen lagern viele für den Menschen wichtige Nährstoffe hauptsächlich in einer Speicherform ein. In ungekeimten Saaten beispielsweise liegen die Aminosäuren in langen Ketten als Proteine (z. B. Gluten) vor, Einfachzucker als Mehrfachzucker (Stärke) und Fettsäuren als Triglyceride gebunden. Durch den Keimvorgang, den man sich auch als „Vor-Verdauungs-Prozess“ bezeichnen kann, werden diese komplexen Nährstoffe in ihre leichter verwertbare freie Form (freie Aminosäuren, Einfachzucker und freie Fettsäuren) aufgeschlüsselt. Zudem kann beim Keimen der Gehalt an der essentiellen Aminosäure Lysin (die wichtig für das Wachstum ist und in ungekeimtem Getreide in eher geringer Konzentration vorliegt) sowie an essentiellen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen (z.B. Vitamin B2) und sekundären Pflanzenstoffen ansteigen.
„Jedes Böhnchen ein Tönchen“: Keimen hilft, Verdauungsbeschwerden zu reduzieren
Vor allem Menschen, die relativ neu sind in der Welt der pflanzlich basierten Ernährung, klagen teilweise über vermehrte Verdauungsbeschwerden. Insbesondere Hülsenfrüchte (die bei pflanzlich basierter Ernährung vermehrt auf dem Teller landen sollten), verursachen -vor allem bei “ungeübten” Essern- Blähungen und Bauchschmerzen. Dafür sind sogenannte Oligosaccharide verantwortlich. Das sind Ballaststoffe, die den Verdauungstrakt unverdaut verlassen, da uns Menschen die nötigen Enzyme fehlen, um diese abzubauen. Im Dickdarm werden sie dann von Bakterien abgebaut, was zur Bildung von Gasen führt. Die Folge sind (teilweise sogar schmerzhafte) Blähungen.Der Keimvorgang führt zu einem signifikanten Abbau dieser Oligosaccharide, was wiederum Verdauungsbeschwerden deutlich reduzieren kann.
Sprossen ziehen kann Kosten sparen und macht Spaß
Keimen ist eine Möglichkeit, die Ernährungsqualität und Nährstoff-Versorgung kostengünstig signifikant zu verbessern. Ohne den Kauf teurer „Pülverchen“ und „Superfoods“ ermöglicht das Sprossenziehen auch Menschen mit eher knappem Budget, ihre Ernährung deutlich aufzuwerten. Es kann sogar dabei helfen, Energiekosten zu reduzieren: Beispielsweise benötigen gekeimte Hülsenfrüchte nur noch etwa die Hälfte der Kochzeit von ungekeimten Hülsenfrüchten
Nicht zuletzt macht das Ziehen von Sprossen Spaß und ist eine gute Möglichkeit, Kinder mit dem „Anbauen“ eigener Nahrungsmittel vertraut zu machen. Schon kleine Kinder können mit eingebunden werden, indem man ihnen zeigt, wie man die unterschiedlichen Samen identifiziert und diese in Sprossengläser abmisst, einweicht und spült (Wichtig: unbedingt auf strenge Hygiene achten: Hände immer gut mit Seife waschen und Sprossen-Utensilien mit heißem Wasser und Spülmittel gründlich und regelmäßig reinigen). Den meisten Kindern macht es viel Spaß, „ihren“ Sprossen beim Wachsen zuzusehen. Ältere Kinder können auch eine Art „Sprossen-Tagebuch“ führen, in dem sie Einweichzeiten dokumentieren sowie das Auftreten erster „Lebenszeichen“ und Erntezeiten. Und nicht zuletzt können Kinder beim Suchen nach Rezepten und Zubereiten der Sprossen in der Küche mit eingebunden werden.
In meinem Instagram-Story Highlight „Sprouting“ sind kurze Videosequenzen hinterlegt, die zeigen, was man beim Ziehen von Sprossen beachten sollte.